Wasserflohgemeinschaft im Klimawandel – Öko-evolutionäre Effekte und Konsequenzen
Forschungsansatz
Der Bodensee hat im letzten Jahrhundert erhebliche Veränderungen erfahren, die sich tiefgreifend auf sein Ökosystem ausgewirkt haben, darunter auch auf die Gemeinschaft der Wasserflöhe (Daphnia). Diese winzigen Krebstiere sind wichtige aquatische Algenfresser, die das Algenwachstum kontrollieren und eine entscheidende Nahrungsquelle für viele Fischarten im See darstellen, darunter die ikonische Bodensee-Felche (Coregonus sp.). Wenn wir verstehen, wie sich Daphniengemeinschaften verändern und entwickeln, können wir ihre zukünftige Entwicklung und die daraus resultierenden Auswirkungen auf das Ökosystem des Sees besser vorhersagen.
In der Mitte des letzten Jahrhunderts, während der Eutrophierungsphase (d.h. erhöhter Nährstoffgehalt) des Sees, wurde die einheimische Daphnienart, D. longispina, weitgehend durch die invasive D. galeata ersetzt. Nach Bemühungen zur Wiederherstellung des Nährstoffgleichgewichts des Sees (Re-Oligotrophierung) wurde D. longispina jedoch wieder zur vorherrschenden Art. In jüngster Zeit sah sich der See mit neuen Herausforderungen konfrontiert, darunter die Invasion von Quagga-Muscheln, die in direkter Konkurrenz zu Daphnien um Nahrung (Phytoplankton) stehen, und die Ausbreitung des Dreistachligen Stichlings in die pelagische Zone, der größere Daphnienarten frisst. Darüber hinaus begünstigen steigende Temperaturen aufgrund des Klimawandels Arten mit anderen Temperaturpräferenzen und verschieben die Häufigkeitsspitzen, den Zeitpunkt der Fortpflanzung usw. Diese Faktoren könnten zur Invasion und Dominanz einer anderen Art, D. cucullata, in den letzten Jahren beigetragen haben. Aufgrund ihrer geringeren Größe und möglicherweise wegen ihrer stärkeren Abwehrkräfte (spitze Helme und lange Stacheln) ist D. cucullata für Felchenlarven schwerer zu erbeuten, was eine Rolle beim Rückgang der Felchenpopulationen gespielt haben könnte. Schließlich ist bekannt, dass die drei im See vorkommenden Daphnienarten hybridisieren, was sich auf Anpassungsprozesse wie die Abwehrmechanismen gegen Fischprädation auswirken und damit einen weiteren Einfluss auf das übrige Nahrungsnetz ausüben könnte.

Daphnia longispina.
(Foto: Christian Rellstab, Eawag)
Ziele
Dieses Teilprojekt zielt darauf ab, die saisonale Verteilung von Daphnia-Arten in verschiedenen Teilen des Sees zu untersuchen und die Hybridisierungsdynamik zwischen den drei vorhandenen Arten zu erforschen. Durch die Kombination von zweiwöchentlichen Probenahmen mit der Sequenzierung ganzer Genome werden wir feststellen, welche Daphnia-Arten vorhanden sind und wie ihre evolutionären Verläufe interagieren. Außerdem werden wir Mesokosmen-Experimente durchführen, um zu untersuchen, wie Quagga-Muscheln, Stichlinge und steigende Temperaturen die Zusammensetzung und Entwicklung der Daphnien-Gemeinschaft beeinflussen. Unsere Ergebnisse werden uns helfen, die treibenden Kräfte hinter diesen Veränderungen und ihre möglichen Auswirkungen auf das Ökosystem des Bodensees besser zu verstehen.

Konzentrierte Zooplanktonprobe, frisch entnommen aus dem Bodensee.
(Foto: Maja Ilic)
Zusammenarbeit im SeeWandel-Klima Projekt
Planktondynamiken (Universität Konstanz, Teilprojekt 3A).
Fischökologie (Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg, Teilprojekt 2).
Quagga-Muschel (Eawag, Teilprojekt 6A).
Koordination der SeeWandel-Klima Themengruppe „Interaktion im Nahrungsnetz“. Die Themengruppe führt insbesondere das Wissen zu den erwarteten Auswirkungen von Umweltveränderungen auf verschiedene Schlüsselarten und Organismengruppen sowie deren zeitliches Auftreten im Jahresverlauf zusammen.
Projektteam
Universität Innsbruck, Forschungsinstitut für Limnologie, Mondsee, Österreich
Ass. Prof. Dr. Markus Möst – Projektleitung
Dr. Tim Maes – Wissenschaftler
Assoziierte Projektpartner
Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), Fakultät für Biologie, Aquatische Ökologie, Deutschland
Prof. Dr. Herwig Stibor
In Zusammenarbeit mit
Prof. Dr. David Schleheck, Limnologisches Institut, Universität Konstanz, Deutschland
Beprobung des Zooplanktons zweiwöchentlich in der gesamten Wassersäule des Bodensees und monatlich in verschiedenen Tiefen im Überlinger See, Beprobung des Untersees alle drei Monate
Dipl.-Ing. Gerhard Hutter, Institut für Umwelt und Lebensmittelsicherheit (Umweltinstitut) des Landes Vorarlberg, Österreich
Beprobung der gesamten Wassersäule in der Bregenzer Bucht des Bodensees alle drei Monate