Teilprojekt 1

Ziele | Forschungsansatz | Erste Ergebnisse | Projektteam

Vergangene Klimaänderungen im Bodensee – Lehren für die Zukunft

Ziele

Eine Hochwasserchronologie der letzten 5000 Jahre

Mit Sedimentkernen aus der Friedrichshafener Bucht soll die Abflussgeschichte des Alpenrheins und die Hochwassergeschichte des Bodensees hochaufgelöst rekonstruiert werden. Die gut laminierten Sedimentarchive erlauben die Identifizierung natürlicher Klimaveränderungen und die Rekonstruktion einer weit in die Vergangenheit zurückreichenden Hochwasserchronologie. Hierdurch wird eine Einordnung und Abschätzung der Hochwassergefährdungen am Bodensee ermöglicht – auch vor dem Hintergrund des menschgemachten Klimawandels.

 

Veränderungen aquatischer Lebensgemeinschaften

Neben der Hochwasserchronologie werden die Reaktionen der aquatischen Lebensgemeinschaften auf natürliche, vom Menschen nicht beeinflusste Klimaschwankungen der Vergangenheit untersucht. So soll eine Grundlage zur Bewertung der heute beobachteten Veränderungen durch Klimawandel und Neobiota ermöglicht werden.

Forschungsansatz

Die Sedimente des Bodensees als Archiv für Umweltveränderungen

Die Sedimente des Bodensees sind ein hochauflösendes Archiv für Umweltänderungen, das weit über die mit historischen Quellen und Messdaten (ab 1817) belegten Zeiträume hinausreicht. Sie ermöglichen es, Informationen zum Ökosystem Bodensee aus messtechnisch nicht erfassten und von menschlichen Aktivitäten (Landnutzung, Wasserkraft, Wasserbau, Eutrophierung, Klimawandel) unbeeinflusste Zeiträumen zu gewinnen und zu analysieren. Durch den Vergleich von Zeiträumen natürlicher Dynamik mit den stark vom Menschen beeinflussten letzten Jahrhunderten wird es möglich, das Ausmaß der heute beobachteten Veränderungen und des menschlichen Einflusses besser zu verstehen um sich auf zu erwartende künftige Veränderungen vorzubereiten.

Die Untersuchung vergangener Veränderungen im Bodensee gibt uns damit die einmalige Möglichkeit, aus der Vergangenheit für zukünftige Entwicklung zu lernen und eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen.

 

Hochwasserchronologie

Dieses Teilprojekt wird erstmalig eine detaillierte Hochwasserchronologie des Bodensees und damit der Niederschlagshistorie seines alpinen Einzugsgebietes erarbeiten (Ziel 1). Heute verwendbare neue Untersuchungsmethoden werden gezielt genutzt, um die Hochwassergeschichte des Bodensees und Alpenrheins mit hohem Detaillierungsgrad in prähistorische Zeiträume zu verlängern. Damit lassen sich extreme Hochwasserereignisse und Jahre mit sehr geringen Zuflüssen durch den Alpenrhein identifizieren.

Der aktuelle Wissensstand zur Hochwasserchronologie wird von der langjährigen Pegelmesskurve am Bodensee (1817-heute) und den Abflussmessungen der wesentlichen Zuflüsse (Alpenrhein, Bregenzer Ache, Argen) durch die hydrographischen Dienste der Bodenseeanrainer abgebildet (Bremicker et al. 2004). Grundlegende Beziehungen zwischen Schwebstoff- und Abfluss wurden in den 1960er Jahren erarbeitet und später von Kobus und Partner im Auftrag der Internationalen Rheinregulierung weiter ausgearbeitet (Lang & Mirbach 2021). Zudem wurden mit Sedimentuntersuchungen deutliche Veränderungen im Sedimenteintrag (Menge und Material) und ihr Zusammenhang mit kurzfristigen Klimaschwankungen (Wessels 1995, 1998) gezeigt. Diese bilden die wissenschaftliche Grundlage, um aus den Mächtigkeiten der im See abgelagerten Hochwassersedimenten und deren zugehörigen Korngrößenverteilungen eine konsistente Hochwasserchronologie des Alpenrheins bzw. des alpinen Bodensee-Einzugsgebietes abzuleiten.

Sedimentkerne entlang eines Transekts von der Friedrichshafener Bucht zur heutigen Rheinmündung. Deutlich ist die Zunahme der Sedimentmächtigkeiten nach Osten erkennbar. Nahe der Rheinmündung nimmt die Sedimentationsdynamik stark zu und das Signal einzelner, gut identifizierbarer Hochwasserjahre wird durch eine Vielzahl mächtiger Sedimenteinträge überlagert. Mit kurzen Fall-Lotkernen (blaue Punkte) wird die räumliche Verteilung der Sedimentmächtigkeiten erfasst, mit den historischen Alpenrheinabflüssen abgeglichen und ein numerisches Hochwassermodell kalibriert.

Ökosystemveränderungen

Die Brücke in die Ökosysteme der Vergangenheit bilden im Sediment erhaltene Schalen von Kieselalgen, Muschelkrebsen und Reste von Cladoceren, die über tausende Jahre im Sediment erhalten sein können und seit etwa 50 Jahren regelmäßig im Bodensee untersucht werden. Solche klassischen Verfahren (Identifizieren und Zählen von körperlich erhaltenen Organismenresten wie Diatomeen und Ostrakoden) und neue Methoden (Analyse von Organismengruppen mit sedimentären DNA-Fragmenten) wurden erfolgreich verwendet, um die Veränderungen im Ökosystem Bodensee im Zuge der Trophieänderungen zu rekonstruieren (Wessels et al. 1999, Ibrahim et al. 2019, Milan et al. 2022, Wang et al. in press). Diese Verfahren sollen gezielt in Zeiträumen mit natürlichen Klimaveränderungen angewendet werden, um die Reaktionen der aquatischen Lebensgemeinschaften auf natürliche Klimaveränderungen zu verstehen.

Erste Ergebnisse

Kernentnahme

Fall-Lot Kurzkerne

In Vorbereitung des Projekts wurden seit 2023 ca. 40 kurze – bis ca. 1 m lange – Sedimentkerne zwischen der aktuellen Rheinmündung und der Friedrichshafener Bucht entnommen. Ein Fall-Lot besteht aus einem Kernrohr (Plastikrohr/Liner) welches aufgrund seines Eigengewichtes in die weiche Sedimentoberfläche eindringt und eine verhältnismäßig ungestörte Probenahme des Seebodens ermöglicht.

Langkerne

Im September 2024 wurden 10 etwa 4,5 m bzw. Ein über 11 m langer Sedimentkerne im Obersee zwischen Kressbronn und Friedrichshafen entnommen. Je zwei Kerne wurden mit wenig Abstand voneinander entnommen, um genügend Material für die Analytik zu gewinnen und um lokale Inhomogenitäten der Sedimente zu erkennen. Es kamen zwei Entnahmetechniken zum Einsatz (siehe unten).

Entnahmestellen der Langkerne zwischen der Friedrichshafener Bucht und Kressbronn mittels miniVibroCorer und Kolbenlot.

Entnahme mittels miniVibroCorer

In Zusammenarbeit mit der Firma limknow GmbH und der K.U.M. Umwelt- und Meerestechnik Kiel GmbH wurde ein neuentwickelter „miniVibrocorer“ eingesetzt. Von Bord des institutseigenen Forschungsschiffs Kormoran wurde der miniVibroCorer in bis zu 200 m Tiefe abgelassen. Der Vibrationsmotor drückt durch das Eigengewicht und Vibrationen ein 6 m langes Kernkammer in das weiche Sedimente. Mit dieser Methode konnten 10 bis zu 4,5 m lange Sedimentkerne entnommen werden.

Entnahme mittels eines Kolbenlots

Längere Kerne konnten mit Hilfe eines häufig verwendeten Kolbenlotes gewonnen werden. Von Bord einer kleinen schwimmenden Plattform (UWITEC) wurden im Rahmen eines Studentenpraktikums der Universität zu Köln mit Muskelkraft 3 m lange Kernkammern in mehreren Durchgängen bis zu 11 m tief in das Sediment des Bodensees gehämmert.

Kernentnahme mit dem miniVibroCorer von Bord des FS Kormoran in Zusammenarbeit mit limknow und K.U.M.
(Foto: Martin Wessels, ISF)

Die Probenahme mittels Kolbenlot erfolgte auf einer Plattform des Instituts für Geologie und Mineralogie der Universität zu Köln mit der Unterstützung durch das Studentenpraktikum 2024.
(Foto: Martin Wessels, ISF)

Analysen

Die Kerne werden im Kühlraum des Instituts für Seenforschung bei ca. 4°C aufbewahrt. Nach der Kernöffnung werden die Sedimentschichten fotographiert, vermessen und beschrieben. Ausgewählte Kernen werden momentan mit zerstörungsfreien Untersuchungsmethoden weiter charakterisiert (hochauflösender Line-scan, Röntgenfluoreszenzanalyse (XRF) zur Bestimmung der Elementverteilung, magnetische Volumensuszeptibilität). Markante Hochwasserlagen werden identifiziert und auf ihre Korngrößenzusammensetzung, ihre Hauptminerale und den Kohlenstoffgehalt untersucht. Die Ergebnisse der Sedimentkernanalytik sollen mit bereits vorhandenen Untersuchungen früherer Kerne (Wessels 1995, 1998, Wang et al. In press) verglichen werden, so dass die Repräsentativität der Analysen und Aussagen gewährleistet wird.

In einem zweiten Schritt sollen Zeiträume mit hoher hydrologischer bzw. klimatischer Dynamik detailliert auf Organismenresten untersucht werden, um die Reaktion der aquatischen Lebensgemeinschaften auf Umweltveränderungen zu verstehen. Hierfür werden sollen sowohl klassischen Verfahren (Diatomeen, Zooplanktonreste) als auch die Extraktion und Analyse von sedimentärerer DNA zum Einsatz.

Gut erhaltene Sedimentlagen des 4.5 m langen Kerns BO24-53 vor Langenargen. Risse und Lücken sind auf einen hohen Gasgehalt zurückzuführen. Im oberen Teil ist die eutrophe Phase mit hohem Nährstoffeintrag in der Mitte des 20. Jahrhunderts gut zu erkennen.

Zusammenarbeit im SeeWandel-Klima Projekt

Modellierung der Hochwasserchronologie (kup, Teilprojekt 5).

Unterstützung des Quaggamuschel-Monitorings im Pelagial und Litoral des Bodensees (Eawag, Teilprojekt 6A).

Koordination der SeeWandel-Klima Themengruppe „Wasserstandsdynamik und Litoral“. Die Themengruppe soll insbesondere das Wissen zu den erwarteten Änderungen des Klimawandels hinsichtlich zu erwartender Wasserstandsänderungen und der Flachwasserzone zusammenführen.

Projektteam

Institut für Seenforschung (ISF) der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), Deutschland

  Dr. Martin Wessels – Projektleitung

  Dr. Harald Hetzenauer – Projektleitung

  Dr. Matthias Heckmann – Wissenschaftler

  Dr. Petra Nowak – Wissenschaftlerin, eDNA

Assoziierte Projektpartner

Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD), Fachbereich Feuchtbodenarchäologie, Deutschland

Internationale Rheinregulierung (IRR), Rheinbauleitung Österreich

In Zusammenarbeit mit

apl. Prof. Dr. habil. Bernd Wagner, Institut für Geologie und Mineralogie, Universität zu Köln, Deutschland
Probenahme mit dem Kolbenlot im Rahmen des Studentenpraktikum 2024 & XRF Messungen an Halbkernen

Prof. Dr. Flavio Anselmetti, Institut für Geologie, Universität Bern, Schweiz
Ganzkern MSCL- Logging zur Bestimmung von Magnetischer Suszeptibilität und Gamma-Dichte

Dr. Christian Zeeden, Leibnitz Institut für Angewandte Geophysik (LIAG-Grubenhagen), Deutschland
Messung paläomagnetischer Parameter

Prof. Dr. Laura Epp, Limnologisches Institut, Universität Konstanz, Deutschland
eDNA Untersuchungen

Prof. Dr. Claudia Wrozyna, Institut für Geographie und Geologie, Universität Greifswald, Deutschland
Ostrakodenbestimmung

limknow GmbH & Co. KG, Deutschland
Probenahme mit dem miniVibroCorer

Umwelt- und Meerestechnik Kiel GmbH (K.U.M.), Deutschland
Probenahme mit dem miniVibroCorer

Wissenschaftliche Mitarbeitende

M.Sc. Steffen Bader

Fischereiforschungsstelle Langenargen (FFS-LAZBW)

Forschungsgebiete:
Fischmonitoring, Fischökologie Fließgewässerrevitalisierung, urbane Fischgemeinschaften, fischbasierte Gewässerbewertung
Teilprojekt: L12

steffen.bader@lazbw.bwl.de
+49 (0)7543 930 8331

Dr. Maria Cuenca Cambronero (Alumna)

Eawag, Fischökologie & Evolution

Forschungsgebiete:
evolutionäre Ökologie, Zooplankton-Gemeinschaften, phänotypische Plastizität, genetische Anpassung
Teilprojekt: L13

Dr. Stuart Dennis (Alumnus)

Eawag, Aquatische Ökologie

Forschungsgebiete:
Evolutionsbiologie, phänotypische
Plastizität, Genomik
Teilprojekt: L10

Dr. J. Tyrell DeWeber (Alumnus)

Fischereiforschungsstelle Langenargen (FFS-LAZBW)

Forschungsgebiete:
Fischereiökologie und -management, statistische Modellierung ökologischer Prozesse, Entscheidungswissenschaft
Teilprojekt: P2

Dr. Iris Dröscher (Alumna)

Inst. für Seenforschung (ISF-LUBW) 

Forschungsgebiet:
Limnologie
Teilprojekt: P7

Dr. Cameron Hudson

Eawag, Fischökologie & Evolution

Forschungsgebiet:
phänotypische Evolution invasiver Arten
Teilprojekt: L13

cameron.hudson@eawag.ch
+41 (0)58 765 2120

Dr. Benjamin Kraemer

Universität Konstanz, Limnologisches Institut

Forschungsgebiet:
Reaktionen der Seen auf den Klimawandel
Projekt: Synthese

ben.m.kraemer@gmail.com

Dr. Moritz Lürig (Alumnus)

Eawag, Fischökologie & Evolution

Forschungsgebiete:
Artinteraktionen, phänotypische Evolution, ökologische Informatik, Computervision, Zeitreihen
Teilprojekt: L13

name

M.Sc. Barbara Scholz (Alumna)
Fischereiforschungsstelle Langenargen (FFS-LAZBW)

Forschungsgebiet:
Fischökologie in Seen
Teilprojekt: L12

name

Dr. Bernd Wahl
Inst. für Seenforschung (ISF-LUBW) 

Forschungsgebiet:
Seenphysikalische Fragestellungen
Teilprojekt: P7

bernd.wahl@lubw.bwl.de
+49 (0)7543 304 170

name

Dr. Simone Wengrat Ribeiro
Universität Konstanz, Limnologisches Institut

Forschungsgebiet:
Paläolimnologie
Teilprojekt: P8

simone.wengrat-ribeiro@uni-konstanz.de
+49 (0)177 9223 743

name

PD Dr. Elizabeth Yohannes (Alumna)
Universität Konstanz, Limnologisches Institut

Forschungsgebiete:
stabile Isotopenökologie, Tierbewegung und Migration, invasive Arten
Teilprojekte: P8, L9

Mit Unterstützung von

SeeWandel-Klima
Überlandstrasse 133
CH-8600 Dübendorf
E-Mail: seewandel@seewandel.org
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